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Lärm ist ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko. Für die Weltgesundheitsorganisation WHO zählen störende Geräusche zu den wesentlichen Umweltfaktoren, die Krankheiten auslösen.

Ein vorbeifahrendes Auto hier, ein klingelndes Telefon da, im Hintergrund spricht jemand oder es läuft Musik. Der Alltag besteht aus unendlich vielen Geräuschen. Um sie zu verarbeiten, ist unser Gehör rund um die Uhr aktiv, ohne Pause. Die etwa 15.000 Hörzellen im Inneren der Ohren sind permanent damit beschäftigt, Schallwellen abzufangen und die Informationen ans Gehirn zu senden. Kein Wunder, dass so viel Arbeit in Stress ausartet, selbst wenn sie unbewusst geschieht. Denn sobald die Geräuschkulisse als Lärm empfunden wird, versetzen Hormone den Körper in Alarmbereitschaft – auch nachts, denn das Ohr registriert selbst im Schlaf alle Geräusche.

Die WHO definiert Lärm bereits seit 1972 als Schall, der stört, belästigt oder die Gesundheit beeinträchtigen kann. Neben dem physikalischen Hörprozess gibt es damit auch eine psychologische Komponente. Wie Schall empfunden wird, spielt eine wichtige Rolle. Denn für Besucher von Konzerten werden laute Geräusche zu Musik in den Ohren, trotz des hoher Schalldruckpegels. Die Nachbarn von Konzerthallen empfinden die Schallwellen dagegen als Lärm, wenn sie davon bei anderen Tätigkeiten gestört werden – obwohl sie die Musik deutlich leiser wahrnehmen. Wann Geräusche zu Lärm werden ist sowohl eine Frage der Empfindung als auch situationsabhängig.


Psychische Belastung

Lärm kann zu gesundheitlichen Schäden führen – das betrifft nicht nur Gehörschäden, sondern auch psychische Belastungen. Denn Stresshormone haben Auswirkungen auf den ganzen Organismus. Bereits Geräusche in einer Lautstärke von 65 bis 70 Dezibel können eine Reaktion hervorrufen. Das Gefahrenpotenzial ist enorm. Der Bericht der Europäischen Umweltagentur „Lärm in Europa – 2020“ zur Belastung mit Umgebungslärm besagt, dass etwa jeder fünfte Europäer derzeit als gesundheitsschädlich eingestuften Lärmpegeln ausgesetzt ist. Diese Zahl wird in den kommenden Jahren voraussichtlich noch zunehmen. Laut dem Bericht ist derzeit der Straßenverkehr eine der Hauptquellen für die Lärmbelastung in Europa.

Der Arbeitsalltag vieler Menschen wird ebenfalls von Lärm bestimmt. Ob Call-Center oder Großraumbüro, eine konstante Geräuschkulisse ist allgegenwärtig. Das hat Auswirkungen auf die Aufmerksamkeit. „Ein ruhiges Umfeld erhöht die Effizienz“, bestätigt Dr. Marina Melanie Strecker von TÜV Hessen. „In zahlreichen Gefährdungsbeurteilungen von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz konnten wir Lärm als wesentlichen Stressfaktor identifizieren“. Die Folgen sind direkt zu spüren. Zunächst sinkt die Konzentration, anschließend folgen Kopfschmerzen. An ein produktives Arbeiten ist unter diesen Umständen nicht zu denken.

 

Spürbare Folgen

Lange Zeit war in der Verordnung für Arbeitsstätten verankert, dass der Schallpegel in Büros nicht größer als 55 Dezibel betragen soll. Dieser Passus ist mittlerweile Geschichte. Die Folgen für die Produktivität sind wissenschaftlich belegbar. Bereits 2014 stellte Dr. Wolfgang Panter, Präsident des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte fest, dass Bürolärm die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern um fünf bis zehn Prozent sinken lässt. Zusätzlich steigt die Nervosität und Gereiztheit und setzten die Psyche zusätzlich unter Stress.

Auf die konstant hohe Beschallung reagiert auch der Körper, denn Lärm kann zu Bluthochdruck führen. Auch andere Kreislauf- und Stoffwechselfaktoren leider unter den Auswirkungen. Die Schäden können schließlich zu Herzinfarkten oder Schlaganfällen führen. Um diese Prozesse auszulösen, genügt bereits ein konstant vorhandener Geräuschpegel auf dem Niveau einer normalen Unterhaltung. Nicht nur in Großraumbüros oder Call-Centern sind daher die Arbeitgeber gefordert. Eine fundierte Analyse der Belastungssituation liefert erste Erkenntnisse und zeigt Lösungswege, um den Lärm nachhaltig zu senken.